Beitrag wurde verfasst am 10.07.2016

Saatgut: Marktplatz für die biologische Vielfalt

Saatgut - Förderverein zum Erhalt alter Kulturpflanzen auf der Alb will Netzwerk für alte Nutzpflanzen gründen
07.08.2014 GEA, VON JULIE-SABINE GEIGER

HOHENSTEIN-EGLINGEN.
Alte, im Verborgenen gehütete Gartenschätze, ausgebreitet in der Öffentlichkeit eines Internetauftritts wie auf einem Marktplatz. Mit dem dazugehörenden Wissen um die Kulturen bis hin zur Zubereitung als bunte Vielfalt auf dem Teller und vor allem mit Bezugsadressen für die wertvollen Sämereien, in denen die Gene stecken, die unbedingt erhalten werden müssen. Die immer wieder geäußerte Netzwerk-Vision des »Linsenpapstes« Woldemar Mammel aus Lauterach beginnt der »Förderverein zum Erhalt alter Kulturpflanzen auf der Schwäbischen Alb« peu à peu zu konkretisieren.

Ein Netzwerk für alte Nutzpflanzen nach dem Vorbild der österreichischen Gesellschaft für den Erhalt der Kulturpflanzenvielfalt und ihre Entwicklung »Arche Noah« und des schweizerischen als Stiftung geführten Pendants »ProSpecieRara«, das seit 2001 auch in Deutschland vertreten ist, soll es werden. Die ursprüngliche Idee einer Genbank, oder wie es Woldemar Mammel für sein Anliegen formuliert hatte, eines »Genbänkles« hat der Verein begraben. Mammel: »Eine Genbank ist für die meisten Menschen etwas Abstraktes, wir wollen aber das Anschauliche.« Dafür haben sich die Mitglieder des Kulturpflanzenfördervereins bei ihrem jüngsten Treffen beim Hohensteiner Linsenanbauer Anton Wahl in Eglingen ausgesprochen. Weil die alten Landsorten zu ihrem Genreichtum ein kulturhistorisches Erbe darstellen, das unbedingt erhalten werden muss, wie der Linsenanbauer Mammel betont.

»Eine Genbank ist für die meisten Menschen etwas Abstraktes. Wir wollen etwas Anschauliches«

Schwerpunkt so einer Kommunikationsplattform, die Anbieter und Nachfrager seltener Sorten zusammenbringt und so freien Zugang zu Saatgut verschafft, Wissen konzentriert und weitergibt und vor allem auf den Nutzen und den Erhalt der biologischen und kulturellen Vielfalt aufmerksam macht, soll natürlich die Schwäbische Alb sein. Dafür muss freilich erst einmal in der Region gestöbert werden, wo welche Pastinaken-, Tomaten-, und Bohnensorten, Mohrrüben- und Kohlrabi-Landschläge, Rote Bete- und Birnenvariäteten angebaut werden. Wobei Woldemar Mammel die geografischen Grenzen der Alb nicht ganz so pingelig-genau gezogen sehen will, wie er es für den Antrag auf Anerkennung der geschützten Ursprungsbezeichnung für das Produkt Alb-Leisa ausarbeiten musste. Mammel: »Die Alb ist kein so isoliertes Gebilde, die Linse wächst auch drüber hinaus.« Die Linsenanbauer sitzen schließlich auch im nördlichen und südlichen Albvorland, weshalb die Alb weiter gefasst werden kann.

Der Bio-Landwirt Mammel kennt aus seiner jahrelangen Suche nach alten Landsorten, vornehmlich der Späthschen Linse, passionierte Hobbygärtner, die erhalten 250 alte Tomatensorten, andere widmen sich der bunten Kartoffelvielfalt. Auf den Feldern der Erzeugergemeinschaft Alb-Leisa, die mit dem Förderverein kooperiert, gedeihen Leindotter und Buchweizen. Alte Kulturpflanzen, die jahrhundertelang als Grütze, Graupen oder Brei die Landbevölkerung sättigten, von Sonnenblumen- und Olivenöl und modernen ertragreichen Getreidesorten vom Acker gedrängt wurden, und wieder, wenn auch ganz zaghaft, in den Bioläden auftauchen. »Mit diesen alten Kulturpflanzen ist die regionale Landwirtschafts- und Landesgeschichte eng verbunden, plädiert Mammel dafür, das Erbe zu erhalten. Folglich werden bei den Treffen der Förderer alter Nutzpflanzen Galette, dünne Pfannkuchen aus Buchweizenmehl, aufgetischt, um das nussige Aroma in aller Munde zu bringen.

Die alten Sorten und das Wissen um ihre Kultivierung sollen nach den Vorbildern der südlichen Nachbarländer in einem für alle nutzbaren Netzwerk zusammengeführt werden, das informiert, den Austausch von Saatgut ermöglicht und Gärtner und Landwirte zusammen-bringt. »Weil alte Kulturpflanzen verloren gehen, wenn sie nicht genutzt werden«, begründet Mammel das Vorhaben, in das sich auch die Pflanzenbauexperten der Fachhochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen und die Universität Hohenheim eingeklinkt haben. (GEA)

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